Interview zur gegenstandsfreien Meditation

„Damit Gott in mir zu Wort kommen kann“

Holger Kaufmann, der regelmäßig gegenstandsfreie Meditation in der Luthergemeinde anbietet, erzählt im Interview, was es mit Meditation auf sich hat und warum es für ihn ein wichtiger Teil unserer Religion ist.

Das Thema unseres Gemeindebriefs (Sep. – Nov. 23) ist Einkehr. Was bedeutet Einkehr für Dich?

Zum Thema Einkehr fällt mir sofort ein Satz von Meister Eckhart ein: „Geh in deinen eigenen Grund. Inwendig, im Innersten deiner Seele, da ist dein Leben und allein da lebst du.“ Das heißt Einkehr heißt für mich, nach Innen kehren, sich in die eigene Seele wenden.

Wie bist Du zur Meditation gekommen?

Mich hat Meditation schon als Kind interessiert. Damals war das gerade „in“ und ich habe es einfach ausprobiert. Seitdem habe ich darüber gelesen, Meditation erlernt und verschiedene Fortbildungen besucht. In einem Kurs ging es um den inneren Weg und der hat damals dort bei mir begonnen. Die Meditation ist mir zu einer täglichen Praxis geworden, die ich über die Jahrzehnte beibehalten habe.

Wie sieht so ein Meditationskurs aus?

Da gibt es ganz unterschiedliche Formate. Beispielsweise Schweigekurse. Man kann sich das so vorstellen, dass man wirklich über vier oder fünf Tage schweigt. Nach der Begrüßung gehen wir ins Schweigen – von Dienstag bis Sonntag zum Frühstück. Wir reden nicht und gehen, jeder für sich, in seine Übung, richten den Blick nach innen, sind gegenwärtig und üben Bewusstseinsvereinheitlichung oder Bewusstseinsentleerung. Das sind die beiden Hauptrichtungen.

In welchem Verhältnis stehen für Dich Meditation und christliches Leben?

Gegenstandfreie Meditation gibt es schon lange, beispielsweise bei den Wüstenvätern, die auf dem Sinai in Klöster oder als Einsiedler gelebt haben. Auch im Mittelalter war Meditation christliche Praxis. Bei den Mystikern wie Meister Eckhart oder Angelus Silesius finden sich Beschreibungen der Meditation. Auch Martin Luther hat sich mit der Praxis der kontemplativen Meditation zumindest auseinandergesetzt, wie wir aus mittelalterlichen Schrift, die er selbst herausgegeben hat, wissen. Luther selbst hat die sogenannte Lectio betrieben, eine Meditationsform, bei der man die Bibel liest.

Meditation wird heute gerne mit fernöstlichen Religionen in Verbindung gebracht. Aber eigentlich kommt das Wort Meditation aus dem Lateinischen und wir haben nur etwas, das die Mönche bei uns im Mittelalter praktiziert haben mit dem, was Kulturen im fernen Osten auch praktizieren, übereinandergelegt, Ähnlichkeiten festgestellt und dann diesen Namen dafür genutzt.

Welche Rolle spielt Meditation ganz persönlich für Dich ?

Ich habe da mal für mich ein Bonmot geprägt: Jetzt halte ich wirklich mal meinen Mund. Auch den meiner Gedanken, damit Gott in mir zu Wort kommen kann. Denn mein ständiges Geplapper, dieser innere Monolog, hindert mich daran, zuzuhören.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, die gegenstandsfreie Meditation in der Luthergemeinde auch anderen näher zu bringen?

Entstanden ist die Meditationsgruppe aus einer Weiterbildung heraus, weil eine Teilnehmerin – auch aus Griesheim – und ich es schade fanden, dass das, was wir im Kurs erlebt haben, im Alltag bald wieder vorbei ist. Die Treffen haben über die Jahre an unterschiedlichen Orten stattgefunden. Seit 2013 sind wir jetzt in der Luthergemeinde. Willkommen ist jeder – ob mit oder ohne Vorerfahrung. Für Neulinge gibt es regelmäßig Einführungen in das Thema Kontemplation und Meditation und Hinweise darauf, worauf man achten kann. Wir passen uns als Gruppe dabei jeweils den Neuhinzugekommenen an und steigen dann erstmal mit einer – man könnte sagen – geführten Meditation ein, die den Einstieg erleichtert. Dann gehe ich mit den Menschen ins Gespräch, um herauszufinden, wann sie so weit sind, dass sie ganz in der Stille sitzen möchten. Kommen kann man ganz spontan. Ohne Voranmeldung.

Das Interview führte Dr. Claudia Klemm